Auf dem Bild sieht man eine Geburtstagstorte mit Streuseln, auf der etliche Kerzen brennen.

Fünf Buchstaben aus der Hölle

Der Feind in meinem Schlafzimmer

Jeden Tag morgens das gleiche Spiel, ich wache vergnügt auf und stelle mich auf meine Körperfettwaage. Alles im grünen Bereich, nur die Rubrik »viszerales Fett« leuchtet dunkelrot auf. Das tut sie immer, trotzdem hoffe ich jeden Tag auf eine Verbesserung. Meine Körperform ist klassisch, irgendwo zwischen Venus von Milo und Venus von Willendorf, je nachdem, wie viele Familienfeiern es davor gab. Im Prinzip halte ich mein Gewicht, trotzdem verändert sich mein Körper ständig in Richtung Barbapapa. Danke für nichts, Perimenopause! Versteht mich nicht falsch, vom grünen Balkenabschnitt auf der Körperfettwaage hab ich mich längst verabschiedet, mein Ziel ist Dunkel-Orange. Das wäre bereits ein Erfolg, ist aber bis dato noch nicht passiert.

Am Bild zu sehen ist eine griechische Frauenstatue, eine Frau, die sich auf einen Krug stützt

Das Diktat meines Kleiderschranks

Von hier an geht es abwärts. Unzufrieden ziehe ich mich an. Die Lieblingsjeans bleibt ungetragen im Regal, weil ihr Stretch-Anteil zu klein ist und sie im Schritt kneift. Wenn man diesen Punkt erreicht hat, sollte man vermutlich von seinem Lebensabschnittspartner Abschied nehmen und getrennte Wege gehen. Das wäre vernünftig und heilsam, liegt also auf der Hand, dass ich das Gegenteil tue. Die Jeans wird zum Symbol besserer Tage, ich schwöre mir, irgendwann wieder hineinzupassen.

Vielleicht fragt sich jetzt die eine oder andere, warum man mit 40+ immer noch so deppert sein kann? Falls ja, ich frage mich das auch! Ich denke, es war nicht sonderlich hilfreich, in den 90ern ein Teenager zu sein. Der Heroinchic dominierte die Laufstege und Kate Moss hungerte sich im Fokus der Öffentlichkeit zum Weltruhm. Das macht schon etwas mit einem; besonders, wenn man selbst das pummelige Mädchen ist, das in den Filmen immer nur die Loser-Rolle spielen durfte.

Auf dem Bild zu sehen ist die Statue Venus von Milo.

Sparkling Joy?

Weil mein Kleiderschrank immer noch nach Marie Kondos Methode sortiert ist, springt mir ein hübsches Körbchen entgegen, in dem ich meine Bikinis aufbewahre. Der Anblick löst etwas aus, ich würde sagen, das Gegenteil von »sparkling Joy«. Er erinnert mich vielmehr daran, dass der Urlaub gebucht ist, die Bikinifigur aber immer noch so weit weg ist wie damals vor vier Monaten im Reisebüro. Es wird wohl einmal mehr der Badeanzug mit Stützeffekt. Besties for Life, sozusagen. Gemeinsam gehen wir durch Dick und Dünn.

Weiter im Programm: Ich greife nach meiner Uniform: Leggings, Tanktop und Kuschelweste. Da ich von zuhause aus arbeite und immer friere, ändert sich der Look auch im Hochsommer nicht maßgeblich. Wenn man meinem Stil ein Label verpassen müsste, wäre es »basic«. Der Gummizug ist mein Freund, dafür hätte Karl Lagerfeld keine Freude mit mir gehabt. (Wir erinnern uns)

Ich bin erstaunlich minimalistisch, wenn es um meine Work-Wear geht, da könnte man schon fast von einer Capsule Wardrobe sprechen. Brauchen aber auch nicht viel Platz, so Basic-Teile.

Der Rest meines Kleiderschranks gehört meinem Fantasie-Ich. Ich hab alles im Repertoire: Cocktailparty, Vernissage, Oscarverleihung und Opernball. Bis dato unbenutzt, trotzdem allzeit bereit. Wobei es eh wurscht ist, weil ich, sollte ich jemals zu den Salzburger Festspielen eingeladen werden, nicht mehr hineinpasse.

Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach

Und woran scheitert es? Nicht an der mangelnden Bewegung, ich laufe so oft zwischen Kaffeemaschine und Laptop hin und her, dass ich locker auf meine 10.000 Schritte komme. Auch nicht an meiner üblen Ernährung, die ist, anders als mein Bauchfett, durchaus noch im grünen Bereich. Mein persönlicher Feind lauert in der Speis (Vorratskammer). Chips! Das mag harmlos klingen, aber für mich ist das in Schutzatmosphäre verpacktes Teufelszeug. Abends, auf der Couch, rufen sie meinen Namen und verführen mich. Ich spiele die Unnahbare, aber wir wissen beide, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie mich rumkriegen.

Ich wäre gertenschlank, würden Chips und ich nicht im gleichen Universum existieren. Manche Experten raten dazu, die Versuchung einfach nicht zu Hause zu haben. Das ist aber keine Lösung, weil ich dann den Abend damit verbringe, mich danach zu verzehren. Ich hab es sogar mal mit einem Exorzisten probiert, er nannte sich Weight Watchers, aber auch dieser Versuch ist missglückt.

C’est la vie, oder so. Vielleicht sollte ich mich auch einfach von meiner Körperfettwaage trennen?

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